Balduccio
Die Fahrt zu Balduccio führt von Bolgheri Richtung Pisa und dann rüber nach Lamporecchio ist recht entspannt, dank einer gut ausgebauten Schnellstraßen und Autobahnteilstück Richtung Florenz. Zum Glück trotz des Abendverkehrs auch mit wenig Verkehr, gut im Februar ist hier eher wenig los. Keine Touristenströme wie im Sommer.
Von der Autobahn abgefahren, geht es dann auf die typischen, toskanischen Landstraßen, hoch, runter, rechts, links, durch Olivenhaine, kleinste Dörfer, durch die man in einem Atemzug durchgefahren ist.
Da ist es, Lamporecchio, das bekannte Örtchen, wo ich schon lange hinwollte. Dort ist Merum zu Hause, die bekannte und beliebte Fachzeitschrift für italienischen Wein und Olivenöl.
Lamporecchio bei Lucca und Vinci
Besuch auf Sizilien 2007
Vor allem das letztere steht hier ganz an erster Stelle, bei Andreas März. Er ist einer der Gründer der Zeitschrift Merum, ein freundlicher, verwurzelter Mensch, den ich bereits 2007 auf Sizilien kennenlernen durfte. Da kam er nämlich mit der Fähre aus Livorno im Hafen von Palermo an, wo ich ihn in Empfang nahm.
Einmal Palermo
Mein Job war es von der Fähre schnell, unkompliziert die Stadt zu durchqueren und mindestens einmal an einer typischen Pasticceria haltzumachen, um sogleich ein, original Cannolo zu verkosten. Danach ging es dann weiter ins Hinterland von Palermo zum ersten Weingut. Seine Tour über Sizilien führte auch an den Ätna, wo wir uns dann im Weingut Murgo wieder trafen und mit vielen, der damaligen Ätnawinzer einen sehr lustigen Abend hatten.
Cannolo ein Muss
Nun bin ich endlich im Epizentrum der Olivenölherstellung par excellence angekommen. Die Anfahrt zu Balduccio lässt noch mal bewusstwerden, wo wir hier sind, mitten in Olivenhainen in der Gegend Montalbano, gehts es über Stock und Stein, um dann endlich vor dem Haus anzukommen.
Direkt nach dem Parken kommt Andreas heraus und begrüsst mich, nimmt mich mit in sein kleines Reich. Stellt mir die ganzen Mitarbeiter und Familie vor, um dann erstmal um diese Uhrzeit, kurz nach 9 Uhr, eine extrem essentielle Sache zu machen.
Espresso, der muss jetzt sein, bevor es weitergeht.
Balduccio
ist seit 2001 biozertifiziert. Insgesamt werden so 15 Hektar Olivenhaine mit 6000 Bäumen bewirtschaftet.
Wirklich tolles Arbeitsklima im Büro, offen, ohne Barrieren und mit Blick auf jeden, ein System der kurzen Wege und schnellen Lösungen. Kommunikation, alles auf einer Ebene.
Jeder hat seinen Platz, Marketing, Verkostung, Artikel und Texte, Bilder und Webbearbeitung, Empfang und Kundenbetreuung, Messevorbereitung, Olivenernte und Olivenhainarbeit. Die Kids sind alle involviert und hoch motiviert.
Von der Schweiz in die Toskana
Der Andreas kam vor über 40 Jahren aus der Schweiz an diesen Ort.
Einen gut bezahlten Job hatte er dort gehabt, aber bei seinem ersten Besuch hier hat er sich in diesen Fleck verliebt und wie das früher noch so war und ging, konnte man von einem Job, der ein gutes Geld brachte, leben und auch noch investieren, sich was kaufen.
Macher sind gefragt
Das tat er und kaufte das kleine Anwesen, das in dieser Zeit noch bezahlbar war, eigentlich eher billig, denn schon Ende der 70er und Anfang der 80er wollten viele bereits keine Arbeit mehr als Bauer verrichten.
Für ihn was es das Nonplusultra, denn er war gelernter Bauer von Beruf und von Berufung, im freien Arbeiten, draußen im Grünen, frei sein! Er wollte keine Absicherung, keine Sicherheit des festen Arbeitsplatzes, das war kein Lebensinhalt für ihn. Schwere Entscheidung, schwieriger Weg!
Das kann ich verstehen, denn auch ich bin aus meinem sicheren Beamtenverhältnis auf Lebenszeit auf eignen Wunsch ausgestiegen, einfach gekündigt, um nach Sizilien zu gehen.
Toskana bei Vinci
Es waren aber keine einfachen Zeiten für Andreas, denn nur so ein Heft zu machen, damit kannst du dir dein Leben nicht so einfach finanzieren.
Er machte so alles, was anfiel, anderen Bauern helfen, Lkws abladen, wo eine Hand benötigt wurde, war er zur Stelle.
So hat er sich durchgekämpft und schaut inzwischen auf seine Olivenhaine vor dem Haus und resümiert.
Für Erfolg braucht man Zeit
Der Erfolg hat sich inzwischen eingestellt, mit der Zeitschrift Merum, wie auch mit dem Olivenöl Verkauf. Bereits im Februar ist das Öl meist ausverkauft.
Die Toskana hat einen besonderen Ruf im Olivenölsektor, und dank diesem gehts es vielen auch noch recht gut mit dem Verkauf. Die Preise sind stark umkämpft und die Märkte schwierig. Viele Leute verstehen nicht, was es bedeutet ein gutes Olivenöl zu haben, kann man teilweise auch verstehen, da es nicht Teil ihrer Kultur ist. Bei uns in Deutschland eher Butter, Margarine und Schmalz.
Hier bei Merum werden Olivenölpanels veranstaltet, vor allem wenn diese extrem fachkundige Testzeitschrift „Stiftung Warentest“ mal wieder einen Ölhammer rausgehauen hat. Da kommen regelmäßig nur die absoluten Industrieöle auf Platz 1, 2 und 3.
Olivenöl Panel
Die Spitzenöle von kleinen Ölmühlen und Produzenten werden oft überhaupt nicht erwähnt und wenn, dann nur, weil es angeblich alles Öle sind, die extrem hohe Fehlerquoten haben. Hierzu kommt dann bei Merum ein freies, unabhängiges Olivenölpanel zusammen, um genau diese Öle zu testen, die Winneröle der Stiftung Warentest.
Weinproben und Degutreffs im Sommer
Wer Zeit und Lust hat, sowie an diesen Tagen in der Toskana ist, kann und darf gegen einen kleinen Kostenbeitrag bei diesen Degutreffen teilhaben. Durchgeführt vor dem Gebäude, dort, wo die Oliven angeliefert werden und mit Blick über die Olivenhaine. Weine, Olivenöle und leckere Kost aus dem Holzofen machen den Nachmittag zu einem Moment, denn niemand vergisst, im Gegenteil. Sicher wird man lange davon erzählen und darüber in dieser Erinnerung schwelgen.
Olivenölkurse im Olivenhain – Produktion und Erntehelfer im Oktober
Es gibt ein paar Termine pro Jahr, da kann man für einige Tage dort in der Toskana bei Balduccio einen Olivenkurs buchen. Hier geht es nicht nur belanglos darum, Olivenöle zu verkosten, nein! Es geht raus ins Grüne, in die Olivenhaine. Dort wird gezeigt, vorgeführt, zurückgeschnitten, erklärt, direkt am Objekt der Begierde, am Baum.
Dort versteht man dann, warum Olivenöl nicht für 3,99 EUR / Liter herstellbar ist und was es bedarf über das ganze Jahr an Arbeit und Kontinuität, damit am Ende ein Öl herauskommt, so wie es der März mag, Toskana like!
Moraiolo, Frantoio & Leccino = Toskana!
Andreas arbeitet schon immer an der Perfektion aus Oliven ein perfektes Öl zu pressen und hier konnte Balduccio mit neuen Geräten wie Knetwerken, Temperatursteuerung in allen Phasen, Filtrierung direkt nach dem Pressen, Lagerung der gepressten Öle unter Argon genau das erreichen. Die vielen Neuerungen und vor allem die langjährige Erfahrung haben gezeigt, was nötig ist, um ebendieses fast perfekte Öl zu pressen und seine gesundheitsfördernden Stoffe zu extrahieren und konservieren.
Beim Gespräch in der Mühle kam auch das Problem der Klimaproblematik und der höheren Temperaturen im Oktober / November bei der Ernte zu Sprache. In Zukunft müssen die Oliven, sollte es mit den Temperaturen so bleiben, direkt nach dem Ernten gekühlt werden (ähnlich wie beim Wein auf Sizilien mit Trockeneis), damit die typischen Noten erhalten bleiben. Diese Kühlung muss jedoch schnell erfolgen, um dann direkt zu pressen.
Messen wie Vinitaly und Prowein
Bei den beiden wichtigen Messen stellt Merum immer eine Auswahl an Topweinen und Winzern aus, lässt verkosten und probieren. Hier wird philosophiert und vernetzt, für Italien, Deutschland, Österreich und die Schweiz. Der Merumstand ist immer stark frequentiert und man muss schon Glück haben, den März in einer ruhigen Minute zu treffen.
Authentisch come una roccia – felsenfeste Überzeugung
Seiner Linie immer treu geblieben, bei den Weinen wie beim Öl. Biberweine, so werden die Weine von ihm genannt, die lange im Holz lagen. Kann ich verstehen, denn leider gab es und gibt es noch immer von vielen Weingütern die Sichtweise mehr hilft mehr … Oder wie mal hier auf Sizilien jemand sagte …. Der Wein ist vom Holz getötet worden!
Saftig, flüssig, Trinkfluss und lecker müssen Sie sein, Spaß machen und Lust auf den nächsten Schluck. Eine leere Flasche ist eine gute Flasche, und der Wein scheint angekommen zu sein, bei seinen Verkostern.
25 Jahre Merum
Prozess gegen die Ölmultis
Es gab aber auch eine Zeit, da lief es nicht gut, die Kosten gingen durch die Decke, vorwiegend für Rechtsbeistand. Die Zeit des großen Olivenölprozesses gegen die Großen der Ölbranche. Keine schönen Erinnerungen und nicht 5 vor 12, sondern eher 1 vor 12 für die finanzielle Situation.
Es kam auch zu extremen Anfeindungen und Angriffen, denen sich der Andreas ausgesetzt sah, aber, er hat den Prozess gewonnen, nicht aufgegeben und sein Ding gemacht.
Bestes Olivenöl
Er hat es durchgezogen und das, denke ich, hat ihm primär in Italien und bei den hiesigen Bauern nicht nur einfach Sympathie eingebracht, sondern einen ehrlichen Respekt und auch Vertrauen in seine fachkundige Kenntnis, wenn es um Olivenöle geht. Sicher darf der Name Merum und März noch immer nicht bei den Multikonzernen ausgesprochen werden und wer’s macht, wird entlassen! 😉
Fahrt mal hin, zum Balduccio, schaut euch mal die neue Ölmühle an, diese Technik, die es ermöglicht das Beste aus den Oliven herauszuholen.
Liebe Grüße aus Sizilien
Peter
Link www.balduccio.it